Es schüttet und hagelt wie aus Eimern. Die Steine und Wurzeln auf dem steilen Bergpfad sind so rutschig wie Schmierseife, aber an einen vorsichtigen Abstieg ist nicht zu denken. Immer wieder zucken Blitze über unsere Köpfen und erschüttern das Hochtal mit ihrem ohrenbetäubenden Donnern. Unser Guide wird sichtlich unentspannt und verfällt an der Spitze unserer kleinen Gruppe plötzlich in einen leichten Laufschritt…
6 Stunden zuvor stehe ich um 08:15 Uhr auf dem noch ruhigen Testival Gelände und genießen den wolkenlosen Himmel und die wärmende Morgensonne. Für meine erste Trekkingtour auf dem Sportscheck Outdoor Testival 2015 habe ich mich für die Wanderung zum Rifugio der 12 Aposteln entschieden. Laut Tourenplan sind drei Sterne für diese 8-stündige Wanderung vergeben worden . Was das genau bedeutet ist mir nicht ganz klar, denke mir aber, dass es sich dabei eventuell um eine ähnliche Skala wie beim DAV handelt. Dort sind alle Bergwege ebenfalls in drei Kategorien eingeteilt: Einfache , mittelschwere und schwere Bergwege.
Daher wird es wohl eine technisch und konditionell anspruchsvolle Tour werden. Gegen 8:30 Uhr treffen auch die anderen Teilnehmer dieser Tour am Basis-Camp des Testivals am Molvenosee ein. Unsere Gruppe besteht aus unserem Wander-Guide Marco, Mir und zwei weiteren jungen Kerlen. Wir fahren von dort mit einem Kleinbus circa eine Stunde lang über endlose Serpentinen und Schotterwege auf die Rückseite der Brenta-Dolomiten bis zu unserem Startpunkt auf 1850 Metern. Nachdem die Fahrt uns ordentlich wach geschüttelt hat, sind wir froh über die Ankunft an der Almhütte, die sich in die beruhigende Landschaft dieses bilderbuchhaften Alpenpanoramas einbettet.
Die Berge faszinieren mich auch nach fast 27 Jahren Langzeit-Fernbeziehung immer wieder wie am ersten Tag und geben mir ein unbeschreibliches Gefühl der Ruhe und Entspannung.
Kurz zuvor hat uns Wander-Guide Marco vor den Braunbären, die in diesem Territorium ihr zuhause haben, gewarnt. Sollten wir auf eines der Exemplare treffen, gilt es sich ruhig zu verhalten und sich notfalls sogar Tod zu stellen, werden wir aufgeklärt. Denn ein Bär hat vor zwei Wochen sogar einen Jogger angefallen und böse zugerichtet. Die erste halbe Stunde der Wanderung schaue ich mich ungewöhnlich häufig nach links und rechts um und spitze meine Ohren besonders gründlich.
Wir passieren die Almhütte und sehen links von uns das gigantische Adamello Gebirge mit seinen noch immer verschneiten und teilweise vergletscherten Gipfeln die alle weit über 3000 Metern liegen. Zu unserer Rechten können wir schon die Gipfel der Brenta Dolomiten erkennen, die wir heute erklimmen werden. 1000 Meter Aufstieg bis zu unserem Zwischenziel – dem Refugio der 12 Aposteln – liegen noch vor uns. Bei dieser Hitze wird das sicher nicht ganz einfach.
Auf geht’s in die Brenta Dolomiten
Die erste halbe Stunde wandern wir über leichte Bergpfad und durch schattige Wälder, welche hin und wieder den Blick auf die traumhafte uns umgebende Bergwelt öffnen. Kurz darauf erreichen wir, ohne Sichtung eines Bären, eine wunderschöne Hochebene und die steilen Bergflanken, welche wir in gut 2 Stunden bis zur Hütte überwinden werden. Bis gerade ging es noch durch kühlen Wald, der uns wohltuenden Schatten spendete. Das ist nun vorbei. Wir überqueren die schattenlose, grüne Hochebene und gelangen zu einem steilen Bergpfad, der uns über grobe Steine die eindrucksvolle Bergflanke hinauf führt.
Der Schweiß fließt jetzt in Strömen und ich bin sehr dankbar über mein Buff Tuch. Selbst auf knapp 1900 Metern sind es noch gute 30°C und die Sonne brennt erbarmungslos von Himmel. Nach den ersten hundert Höhenmetern merke ich meine zurückliegende Erkältung noch sehr deutlich. Es lässt sich nicht so frei atmen wie ich das gewohnt bin und ich muss häufiger Pausen einlegen als mir lieb ist.
Immer wieder gibt es kurze versicherte und unversicherte Kletterpassagen an schön ausgesetzten Stellen des schweren Bergweges. Ein Stahlseil jagt das nächste und die Anforderungen an Trittsicherheit steigen mit jedem Höhenmeter! So habe ich mir die Tour erhofft – eine wirklich tolle und herausfordernde Strecke. Hinter jeder Kuppe eröffnet sich uns ein weitere Aussichtspunkt, welcher die fantastische Landschaft der Dolomiten und seine unwirklichen Felsentürme in ein neues Licht rückt.
Nach knapp anderthalb Stunden geht es nur noch durch wegloses Gelände weiter bergauf. Die Orientierung funktioniert aber durch die hervorragende Markierung der Route problemlos. Als wir die letzten kleinen Steige auf dem Weg nach oben gemeistert haben, erstreckt sich vor uns eine eindrucksvoll Hochebene, die wir von unten niemals so erwartet hätten.
Die schroffen Felsen aus Kalkstein und Dolomit ragen weit in den Himmel empor und erinnern an die Einbuchtungen eines gigantischen Canyons. Diese charakteristische Form der Dolomiten sind einfach faszinierend und schaffen eine einzigartige Landschaft an der ich mich gar nicht satt sehen kann.
Wenige hundert Meter später erreichen wir das Refugio der 12 Aposteln und freuen uns auf die wohlverdiente Pause in der warmen Mittagssonne. Wir legen uns auf die glatten Felsen, befreien die Füße aus ihren dampfenden Gefängnissen und lassen uns die Brotzeit schmecken.
Einfach nur herrlich!
Eine dreiviertel Stunde später machen wir uns gesättigt und erholt wieder auf die Socken und statten der kleinen, vor vielen Jahren in den Fels geschlagenen Kapelle einen kleinen Besuch ab. Dort wird alle Bergsteiger, Alpinisten, Wanderer oder Skifahrer dieser Region gedacht, die in den Bergen durch Unfälle um Leben gekommen sind. Es ist wirklich erschreckend wie viele Menschen bei der Ausübung ihrer Leidenschaft in den Bergen ihr Leben lassen mussten. Und viele sind nicht älter als 25 – 30 Jahre alt geworden. Marco erzählt uns, dass er einen Großteil dieser Leute seine Freunde, Bekannte oder Familie nennt.
In einer nachdenklichen und berührten Stimmung verlassen wir die Kapelle wieder und machen uns auf die letzten Meter Aufstieg für heute. Nach wenigen Minuten sind wir auf der höchten Stelle angekommen und sehen in das Tal hinein, durch welches wir gleich absteigen werden. Ein paar Tropfen fallen schon vom plötzlich zugezogenen Himmel und wir haben Bedenken, dass wir es trockenen Fußes wieder in Tal schaffen.
Glücklicherweise hört der leichte Regen aber so schnell wieder auf wie er gekommen ist und wir beginnen unseren weglosen Abstieg ins Tal. Über riesige und steile Geröllfelder – mehr unkontrolliert rutschend als gehend – bewegen wir uns teilweise schneller als mir lieb ist abwärts. Der Himmel hat sich schon wieder stärker verdunkel und ich nehme ein leichtes blitzen über mir wahr, welches kurze Zeit später von einem gewältigen und ohrenbetäubenden Donnern gefolgt wird.
Ich hatte ganz vergessen wie unfassbar laut ein Gewitter in den schallenden Bergen ist – hatte es aber nicht SO laut in Erinnerung. Mit der Zeit erhöht sich die Frequenz der Blitze und des Donnerns, bis es zu einem permanenten Dauerknallen wird, welches von allen Seiten zu kommen scheint. Mein Adrenalin-Pegel steigt beachtlich, ebenso wie die Abstiegsgeschwindigkeit aller Beteiligten. Ich habe einen Höllenrespekt vor der Kraft von Gewittern in den Bergen, da man sich meisten in einer ziemlich schutzlosen Position befindet.
Langsam werden die Windböen stärker, die uns vom Tal aus entgegen wehen. Nun setzten auch die ersten Regentropfen ein, die sich innerhalb weniger Minuten zu einem ausgewachsenen Hagelschauer entwickeln. Ich will nur schnell meine Regenjacke überwerfen, doch unser Guide ruft mir zu, dass ich damit keine unnötige Zeit verschwenden und mich schleunigst um den Abstieg kümmern soll. Doch der Regen wird immer stärker, sodass keine andere Möglichkeit mehr besteht, als sich die Hardshelljacke überzuziehen.
Wir kommen zu einem kleinen Klettersteig und Marco weist uns an, nicht die Steigbügel und Stahlseile zu berühren, da die Blitzschlaggefahr immer stärker zunimmt. Auf den Hintern und mehr schlecht als recht kämpfen wir uns den Steig hinab und versuchen die Kontakte mit dem Metall auf ein Minimum zu reduzieren. Das ist gar nicht mal so einfach. Am Ende des Steiges wird der Weg zu einem schmalen Pfad, der über eine karge und baumlose Wiese schlängelt.
Nun schüttet und hagelt es wie aus Kübeln. Alles scheint sich gegen uns verschworen zu haben. Die Steine und Wurzeln auf dem steilen Bergpfad sind so rutschig wie Schmierseife, aber an einen vorsichtigen Abstieg ist nicht mehr zu denken. Immer wieder zucken Blitze über unsere Köpfen und erschüttern das Hochtal mit ihrem ohrenbetäubenden Donnern. Jeder versucht nur noch so schnell wie möglich ins Tal zu kommen, wobei alle mehrfach umknicken und wegrutschen. Unser Guide wird sichtlich unentspannt und verfällt an der Spitze unserer kleinen Gruppe plötzlich in einen leichten Laufschritt…
Wir folgen ihm und mobilisieren nochmal alle Kräfte, um mit dem flotten Führer Schritt zu halten. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie nur circa 200 vor uns plötzlich ein gleißend heller Blitz in einen Felsvorsprung einschlägt und dreimal kurz hintereinander elektrische Impulse in den Felsen jagt. Sekundenbruchteile später ertönt das erschütternde Donnern und das Herz schlägt mir schlagartig bis zum Hals.
So hautnah habe ich ein Gewitter noch nicht erlebt. Muss ich aber ehrlich gesagt auch nicht mehr…
In diesem Artikel findest Du 7 Tipps für das richtige Verhalten bei Gewitter in den Bergen!
Ein paar hundert Höhenmeter später erreichen wir eine kleine Hütte zwischen einigen vereinzelten Bäumen und betätigen die Klinke – Abgeschlossen! Uns bleibt nichts anderes übrig als die nächsten 45 Minuten unter dem Vordach auszuharren und das Gewitter und den Regen abzuwarten. Im vermeintlichen Schutz der kleinen Berghütte sinkt der Adrenalinpegel wieder etwas und ich merke, dass mein rechtes Fußgelenk etwas schmerz – wohl durch einen der Umknicker.
Nachdem der Regen und das Gewitter kurz aufgehört hat, machen wir uns auf die letzten 30 Minuten Fußweg zurück zum Auto. Nun geht es nur noch über leichte Bergwege und wir sind alle froh den kleinen Bus unbeschadet zu erreichen!
Fazit zur Trekkingtour in den Brenta Dolomiten
Auf dieser Tour war wirklich alles vertreten. Von strahlendem Sonnenschein, anstrengenden Aufstiegen über herausfordernden Kletterpassagen bis hin zu abenteuerlichen Gewitterabstiegen. Die Trekkingtour zum Refugio der 12 Aposteln ist eine knackige Bergwanderung, macht aber tierischen Spaß für alle, die auch gerne mal ihre Hände beim kraxeln einsetzen.
Die Abstieg durch die Geröllfelder ist nicht ganz einfach, aber ohne den Druck eines Gewitters sicher entspannter zu meistern. Ungefähr 6 – 7 Stunden reine Wanderzeit sollte man für diese Tour einplanen. Und wichtig: Nicht den Regenschutz vergessen!
Wenn Du wissen möchtest welche Ausrüstung ich auf eine Hüttentour mitnehmen, dann schau dir diesen Artikel einmal genauer an!
Bildergalerie
Warst Du schon mal im Trentino oder den Brenta Dolomiten wandern?
Hier findest Du die Tourenberichte der anderen Blogger vom Sportscheck Outdoor Testival 2015:
- Jessie von BUNTERwegs
- Simone von OutZeit Passau
- Sonya von Soschyontour
- Kathrin und Thuy von Two for Fashion
- Hendryk von Out of Office
- Marvin von Mountix
- Chris von KlimbingKorns
- Karo von Lina Luftig
Deine Tour bot ja wirklich so einiges. Die schroffen markanten Felsen sind wirklich beeindruckend und diese Kapelle nicht weniger.
So idyllisch wie euer Aufstieg begann, so unberechenbar war dann euer Abstieg. Unweit von euch ein Blitzschlag?! Wirklich gruselig. Zum Glück seid ihre alle heile beim Bus wieder angekommen.
Schöne Grüße & auf möglichst gewitterfreie Bergtouren :)
Hi :)
Ja, es war wirkliche eine ziemlich spannende Tour! In vielerlei Hinsicht ;) So ein Gewitter macht einen dann erneut auf die Kraft der Natur und der Bergwelt aufmerksam.
Liebe Grüße und ebenfalls möglichst gewitterfreie Bergtouren :)
Alex
Hi Alex,
Dein Bericht liest sich fast so spannend wie ein Krimi. Ich wäre wahrscheinlich durchgedreht… Gut, dass Euch nichts passiert ist.
Viele Grüße
Biene aka BabyMufflon
Hi Biene,
freut mich, dass Dir der Bericht gefallen hat :) Ich war auch froh, als wir wieder im Tal waren.
Liebe Grüße,
Alex